Italienische Lehrbücher
Man müsste natürlich annehmen, dass die Lehrbuchautoren die passenden Antworten auf diese Fragen gefunden haben und ihre Kurse dementsprechend gestalten. Ein flüchtiger Blick auf die italienischen Kursbücher genügt allerdings, um festzustellen, dass dies leider in keinem von ihnen der Fall ist!
Nehmen wir nur als Beispiel das tragende Element jedes Satzes – das Verb. In allen Lehrbüchern werden schon in den ersten Lektionen sowohl alle Konjugationen als auch etliche unregelmäßigen Verben – noch dazu in allen sechs Personalformen – eingeführt. Es liegt auf der Hand, dass eine spontane alltägliche Kommunikation darunter leiden muss. Menschen unterscheiden sich bekanntlich von Computern, die eine gespeicherte Information innerhalb von Bruchteilen von Sekunden abrufen können. Wenn man als Lernender einer Fremdsprache schon beim wichtigsten Teil eines Satzes unter vielen Formen die richtige finden muss, wird eine echte Kommunikation höchstwahrscheinlich ausbleiben. Anstatt dem Lernenden die Lage durch eine kluge Auswahl an überschaubaren Verbformen zu erleichtern, um auch die Konzentration auf andere grammatikalischen Basisphänomene, wie z.B. die Übereinstimmung von Endungen bei Substantiven und Adjektiven, zu ermöglichen, wird auf diese Art und Weise offensichtlich einer Überforderung in kommunikativen Situationen Vorschub geleistet. Denn zusätzlich zu den neuen Wörtern, die der Lernende beim Erlernen einer Fremdsprache memorieren muss, kommen noch viele Strukturen dazu, mit denen diese Wörter verknüpft werden müssen.
Es scheint logisch zu sein, dass die Strukturen in dieser Lernphase möglichst einfach gehalten werden müssen, damit sowohl die Formen als auch die Wörter durch die stetige Anwendung zugleich eingeübt werden. Es gibt natürlich sehr begabte Lernende, die mit ihrem beinahe photographischen Gedächtnis auch diese Hürde leicht überspringen. Genauso wie es übrigens auch talentierte Fahrschüler gibt, die man sehr bald in den Stadtverkehr entsenden kann. Eine Fahrschule kann aber ihr Konzept auch nicht nach zukünftigen Formel 1-Fahrern ausrichten. Genauso lernen eine Fremdsprache nicht nur Hochbegabte!
Es wäre natürlich absurd, den Lehrbuchautoren zu unterstellen, Sprachkurse nur für Hochbegabte erstellen zu wollen! Der Grund, warum sie die einsichtigen Grundprinzipien des Sprachenlernens in ihren Werken ignorieren, liegt eher darin, dass sie sich das eigentliche Ziel des Fremdsprachenunterrichts - das Erlangen der kommunikativen Kompetenz - nicht ständig vor Augen halten. Und wie aus dem bisher Ausgeführten hervorgeht, ist dies vor allem im Anfängerunterricht von entscheidender Bedeutung. |